Das Vojta-Prinzip

Was ist das Vojta-Prinzip?

Das Vojta-Prinzip oder auch die Reflexlokomotion nach Vojta wurde in den 50er/60er Jahren des 20. Jahrhunderts von dem Neurologen Dr. Václav Vojta in Deutschland entwickelt. Ursprung waren das Studium der motorischen Entwicklung im 1. Lebensjahr und die Beobachtung von stereotypen motorischen Reaktionen auf definierte Reize in bestimmten Körperlagen. Diese Reaktionen erfassen den ganzen Körper (bis hin zur Gesichtsmuskulatur) und beeinflussen auch Atmung, Kreislauf und Verdauung. Sie beinhalten Aufrichtung gegen die Schwerkraft, Verschiebung des Körperschwerpunktes und automatische Haltungsadaptation, aber auch dynamische, zielgerichtete Bewegungen, und sie sind in Teilen in den menschlichen Bewegungsabläufen wieder zu finden. Vojta bezeichnete diese Reaktionen als "globale Muster" da die gesamte Skelettmuskulatur des Körpers in einer bestimmten Koordination aktiviert und das zentrale Nervensystem (ZNS) in allen seinen Schaltungsebenen angesprochen wird.
Daraus entwickelten Dr. Vojta und seine Mitarbeiter ein umfasendes Behandlungs-Konzept bestehend aus Diagnostik, (Früh-)Therapie und Rehabilitation.

Ziel ist es die automatische Steuerung der Körperhaltung, die Stützfunktion der Extremitäten und die dafür erforderlichen koordinierten Muskelaktivitäten zu bahnen (I.V.G., 2001).

Wie wird die Therapie nach Vojta praktisch durchgeführt?

Die Therapie wird in genau definierten Ausgangsstellungen (in Rückenlage, Seitlage, Bauchlage) durchgeführt. Durch gezielten Reiz (Periost- oder Muskeldehnungsreize) an definierten Auslösezonen an Extremitäten und Rumpf, auch Triggerpunkte oder Druckpunkte genannt, werden die natürlichen Unterstützungspunkte des Körpers stimuliert und die automatischen motorischen Basismuster wie das Reflexkriechen und das Reflexumdrehen ausgelöst. Dabei kommt es weniger zu einer wirklichen Bewegung, sondern zu einer intensiven, komplexen, koordinierten Aktivierung der benötigten Muskulatur, die auch noch einige Stunden lang nachwirken kann. Das Reflexkriechen und das Reflexumdrehen werden daher auch Koordinationskomplexe genannt.

Das Vojta-Prinzip sieht sich als eine Art "Innervationsschulung". Durch Erregung und Aktivierung des ZNS werden angeborene zentrale oder spinale Programme angesprochen und "ruhende" oder "blockierte" motorische Fähigkeiten geweckt oder in ihrer Entwicklung gefördert. Im Gegensatz zu den meisten anderen Behandlungsansätzen will man in der Vojta-Therapie keine willkürlich kognitiven (bewussten) Bewegungen erzielen, weil diese oft mit kompensatorischen oder pathologischen Bewegungsmustern einhergehen. Gefördert werden nicht bewusst einsetzbare Muskelaktivitäten, um eine positive Veränderung auf Haltung, Bewegung und Ökonomie zu bewirken, eventuell sogar pathologische Ersatzmuster zu verhindern.

Vor der Therapie steht eine Beurteilung des quantitativen und qualitativen Bewegungsverhaltens des Patienten. Die Behandlung wird durch Kombination, Dosierung (Intensität, Druckrichtung) und Variation der Zonen und Ausgangsstellungen den Möglichkeiten des Patienten sowie der motorische Entwicklung angepasst. Bei erwachsenen Patienten müssen mehrere Zonen miteinander kombiniert werden. Die Therapie wird meist nonverbal durchgeführt, aber mündliche Aufforderungen sind bei Erwachsenen möglich, obwohl nicht unbedingt nötig. Zum Abschluss der Therapie wird das Bewegungsverhalten des Patienten erneut beurteilt und auf Veränderungen überprüft.

Therapiezeiten von maximal 20 Minuten 3 - 4 mal täglich gelten als optimal für erwachsene Patienten. Für einen guten Therapieerfolg ist es wichtig mehrmals täglich die Therapie zu Hause weiterzuführen, entweder mit Hilfe der/des Lebensgefährten oder einer anderen nahe stehenden Person und eventuell auch alleine. Erwachsene Patienten können es lernen die Koordinationskomplexe in den entsprechenden Ausgangstellungen durch gezielte Augenbewegungen zu initiieren und motorische Funktionen zu aktivieren. Die/der PhysiotherapeutIn ist zuständig für die Anleitung der Hilfspersonen sowie die regelmäßige Kontrolle der Ausführung und weitere Gestaltung der Therapie.

Wann wird die Reflexlokomotion nach Vojta eingesetzt?

Die Reflexlokomotion nach Vojta wird angewandt zum (Wieder)Erwerb motorischer Fertigkeiten und zur Prophylaxe von Sekundärsymptomen vor allem in der Pädiatrie sowie bei Jugendlichen und Erwachsenen mit angeborenen Schädigungen des ZNS, aber auch bei Patienten mit erworbenen neurologischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder Querschnittslähmungen und zunehmend auch in der Orthopädie und Chirurgie.

Wie oben beschrieben werden grundlegende motorische Fähigkeiten gefördert wie z.B. Haltungskontrolle. Vojta-Therapie ist daher auch als Basistherapie einsetzbar, weil auf den geschaffenen Vorrausetzungen andere Therapieformen aufbauen können.

Kontraindikationen

Das Vojta-Prinzip darf nicht angewandt werden, bzw. nur nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, bei: Fieber, akuten entzündlichen Prozessen, Tumoren, nach Impfungen und auch nicht während einer Schwangerschaft.

Ist die Wirksamkeit der Therapie nach Vojta nachgewiesen?

Die Behandlung mit der Reflexlokomotion nach Vojta wird auch bei erwachsenen Patienten mit erworbenen Schädigungen des Zentralen Nervensystems eingesetzt, vor allem bei Querschnittslähmung und Multipler Sklerose, aber auch bei Patienten mit Hemiplegie nach Schlaganfall. Über klinische Beobachtungen hinaus gibt es bisher aber noch keinen wissenschaftlichen Nachweis über die Wirksamkeit dieser Therapie bei Schlaganfallpatienten.

Weiterbildung zum Vojta-Therapeuten

Die Krankengymnastik zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen erworben nach Abschluss der Hirnreife nach Vojta (Erwachsene) ist eine von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen anerkannte besondere Maßnahme der Physiotherapie.

Die Weiterbildung zum Vojta-Therapeuten mit Zertifikat wird von durch die Spitzenverbände anerkannten FachlehrerInnen / Vojta-LehrtherapeutInnen (Erwachsene) von anerkannten Weiterbildungsträgern durchgeführt entsprechend den Standards der "Internationalen Vojta Gesellschaft" (I.V.G.). Sie umfasst 270 Unterrichtsstunden und eine erfolgreich abzuschließende Lehr-Lernzielkontrolle.

Voraussetzung zur Teilnahme an der Weiterbildung sind mindestens 2 Jahre Berufserfahrung nach abgeschlossener Berufsausbildung zum Physiotherapeuten.

Literatur

Vojta V und Peters A (1992) Das Vojta-Prinzip. Muskelspiele in Reflexfortbewegung und motorischer Ontogenese. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York

Internationale Vojta Gesellschaft e.V. (I.V.G.): http://www.vojta.com

.
Logo KNSLogo BMBF