Laufband-Therapie und Gangtrainer als Beispiele für Aufgaben-spezifisches Training
Aufgaben-spezifisches Training
Beim so genannten Aufgaben-spezifischen Training geht man davon aus, dass man die Funktion, die Patienten wiedererlernen sollen auch direkt beüben muss.
Dieses Therapiekonzept, das von zwei australischen Professorrinnen für Physiotherapie maßgebend geprägt und entwickelt wurde, betont: Bei der Physiotherapie nach Schlaganfall ist es wichtig, möglichst nahe an einer Alltagsfuktion zu üben (Carr und Shepherd, 2003). Es sollen also nicht zuerst "Trockenübungen" für Bewegungen außerhalb eines Zusammenhangs mit einer Alltagsfunktion wie Sitzen, Stehen, Gehen durchgeführt werden, sondern von Anfang an Üben in Situationen, die solche Funktionen trainieren.
Für das Laufen hieße das, dass man Laufen am ehesten beim Laufen oder dem Laufen ähnlichen Bewegungen fördern kann.
Dieser Ansatz ist in der Physiotherapie ohne weiteres anwendbar bei Patienten, die zumindest mit Hilfestellung (oder Hilfsmittel) in der Therapie schon etwas laufen können. Dann kann gezielt am Bewegungsablauf, der Gewichtsübernahme und der Koordination gearbeitet werden. Bei schwerer betroffenen Patienten ist dies jedoch nicht immer möglich. D.h., dass bei schwer betroffenen auch in der Therapie nicht unbedingt das Laufen trainiert werden kann, sondern lediglich vorbereitende Übungen. Hier eröffnet das Laufbandtraining mit teilweiser Gewichtsentlastung eine neue Therapiemöglichkeit.
Was heißt Laufbandtraining mit Körpergewichtsentlastung, bei wem ist es sinnvoll?
Der Patient wird auf einem Laufband mit einem Fallschirmgurt gesichert, der an der Decke befestigt ist. Der Fallschirmgurt übernimmt immer einen Teil des Körpergewichtes des Patienten und sichert in jedem Falle den Patienten so, dass er nicht stürzen kann. Damit kann auch bei nicht steh- und gehfähigen Patienten das Laufen aktiv trainiert werden.
In der Regel ist für diese Therapie der Einsatz von zwei TherapeutInnen notwendig. Ein(e) Therapeut(in) hilft beim Laufen den Rumpf zu stabilisieren und das Körpergewicht zu verlagern, d.h. jeweils über das stehende Bein, der (die) andere Therapeut(in) hilft dem Patienten das schwer gelähmte Bein nach vorne zu setzen und dann bei der Gewichtsübernahme zu stabilisieren.
Ist das Laufbandtraining mit Körpergewichtsentlastung wirksam?
In mehreren klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass Patienten, die eine Laufbandtherapie mit partieller Gewichtsentlastung erhalten, ihr Gehvermögen verbessern können.
U.a. verglichen Hesse und Mitarbeiter (1995) den Therapieeffekt einer dreiwöchigen Laufbandtraining-Phase (30 Minuten Laufband pro Werktag) mit einer dreiwöchigen Therapie nach dem Bobath-Konzept (45 Minuten Gangtraining pro Werktag). Untersucht wurden 7 nicht gehfähige Patienten, deren Schlaganfall 3 Monate bis 1 Jahr zurück lag. Bei der Studie handelte es sich um eine Kohortenstudie mit drei Phasen: A1 - 3 Wochen Laufbandtraining, B - 3 Wochen Bobath-Gangtherapie, A2 - weitere 3 Wochen Laufbandtraining. Bezüglich der Kraft, dem Ausmaß der Spastizität und anderen motorischen Funktionen ließ sich kein Wirksamkeitsunterschied der beiden Behandlungen nachweisen. Eine Verbesserung der Selbständigkeit beim Gehen und eine Verbesserung der Ganggeschwindigkeit (Gruppenmittelwert) wurden jedoch nur für die beiden Laufbandtrainingsphasen (vor und nach der Bobath-Therapie-Phase) berichtet.
Das Laufbandtraining mit partieller Gewichtsentlastung ist anderen Therapien, die aufgaben-spezifisch therapieren, nicht unbedingt überlegen.
Dies zeigt eine schwedische (einfach blinde, randomisierte, kontrollierte) Studie (Nilsson et al., 2001). 73 Schlaganfall-Patienten wurden innerhalb von 8 Wochen nach ihrem (ersten) Schlaganfall entweder einer Gruppe zugeteilt, die auf dem Laufband mit partieller Gewichtsentlastung therapiert wurde, oder einer anderen Gruppe, die ein Gangtraining nach dem sogenannten Motor Relearning Programme erhielt. Die Therapie nach dem Motor Relearning Programme verfolgte (wie das Laufband auch) einen Aufgaben-spezifischen Trainingsansatz: gehfähige Patienten wurden beim Gehen therapiert; nicht gehfähige Patienten wurden im Stand therapiert, wobei Körperhaltung, Gewichtsübernahme und Gleichgewicht geschult wurden. Nach Beendigung der Rehabilitationsbehandlung sowie 10 Monate später waren beide Gruppen (Laufband und Motor Relearning Programme) bezüglich ihrer motorischer Funktionen, der Selbständigkeit beim Gehen und ihrer Ganggeschwindigkeit vergleichbar.
Der elektromechanische Gangtrainer - eine technische Weiterentwicklung
Eine Weiterentwicklung der Laufband-Behandlungstechnik mit Gewichtsentlastung stellt der elektromechanische Gangtrainer von Prof. Dr. Hesse dar. Der Behandlungsansatz ist ähnlich wie der des Laufbandtrainings mit partieller Gewichtsentlastung. Im Unterschied zu diesem werden jedoch die Bewegungen des gelähmten Beines sowie die Gewichtsverlagerung maschinell unterstützt. Diese technische Weiterentwicklung der Therapie kann für Therapeuten eine wesentliche Erleichterung darstellen und scheint ähnlich wirksam zu sein wie das Laufbandtrainings mit partieller Gewichtsentlastung.
Ausgewählte Literatur
Carr JH and Shepherd R. Stroke Rehabilitation. Guidelines for exercise and training to ptimize motor skills. Butterworth Heinemann 2003
Hesse S, Bertelt C, Jahnke MT, Schaffrin A, Baake P, Malezic M, Mauritz KH. Treadmill training with partial body weight supprt compared with physiotherapy in nonambulatory hemiparetic patients. Stroke 26:976-981, 1995.
Nilsson L, Carlsson J, Danielsson A, Fugl-Meyer A, Hellström K, Kristensen L, Sjölund B, Sunnerhagen KS, and Grimby G. Walking training of patients with hemiparesis at an early stage after stroke: a comparison of walking training on a treadmill with body weight support and walking training on the ground. Clinical Rehabilitation 15: 515-527, 2001.
Werner C, von Frankenberg S, Treig T, Konrad M, Hesse S. Treadmill training with partial body weight support and an electromechanical gait trainer for restoration of gait in subacute stroke patients. Stroke 33:2895-2901, 2002.