Proprioceptive Neuromuskuläre Facilitation (PNF)

Was ist PNF?

"Proprioceptive Neuromuskuläre Facilitation (PNF) ist eine funktionelle Behandlung im Rahmen der Physiotherapie bei der komplexe Bewegungsabläufe gebahnt und in ihrer Effektivität verbessert werden. Gefördert wird die funktionelle Einheit von Nerv und Muskel über äußere (exterozeptive) und innere (propriozeptive) Reize. Es basiert auf der Annahme, dass jeder Mensch ungenutzt exsistierende Bewegungsreserven besitzt, deren Einsatz und Nutzung gefördert werden kann und der Erkenntnis, dass die motorische Steuerung stark beeinflusst wird durch das sensible (afferente) Nervensystem. Eine weitere Annahme ist die Wirkung von "Irradiation", dem Ausbreiten/Überfließen von Aktivitäten von den stärkeren zu den weniger kräftigen Muskeln. Die Wirkung kann innerhalb einer Extremität oder Muskelgruppe auftreten oder von einer Körperseite auf die andere. Es bedeutet, dass die Therapie mit PNF 'indirekt' oder 'direkt' erfolgen kann. 'Indirekt' heißt, dass die eigentliche Zielmuskulatur nicht direkt an der Aktivität beteiligt ist, so dass z.B. bei Schmerz oder bei ausgeprägter Lähmung, wenn noch keine Willküraktivität möglich ist, auch fern von diesen Körperabschnitten gearbeitet werden kann und es trotzdem zu einer Förderung der betroffenen Bereiche kommt.

Ziel der Behandlung mit PNF ist die Koordinierung und Ökonomisierung von Bewegungsabläufen durch Normalisierung des Muskeltonus, Kräftigung und Dehnung der Muskulatur und Umgestaltung von unökonomischem, pathologischem Bewegungsverhalten.

Berücksichtigt werden dabei der "Stadien der motorischen Kontrolle"

  • Mobilität
  • Stabilität
  • Kontrollierte Mobilität
  • Geschicklichkeit

PNF wurde ursprünglich entwickelt zur Aktivierung von plegischer/paretischer Muskulatur im Zuge der Poliomyelitiserkrankungen Mitte des 20. Jahrhunderts durch die amerikanischen Physiotherapeuten M. Knott, D. Voss und den Neurologen Dr. H. Kabat. Wie die anderen klinisch etablierten Therapieansätze hat sich PNF in den letzten Jahrzehnten durch klinische Erfahrungen und zunehmende wissenschaftliche Erkenntnisse weiterentwickelt.

So wurde früher mehr von den Extremitäten her facilitiert. Heute steht der Rumpf im Vordergrund, da er eine zentrale Rolle im Bewegungsverhalten hat und manche Techniken werden nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt bei spezifischen individuellen Indikationen eingesetzt.

Heutzutage findet PNF in fast allen klinischen Bereichen seine Anwendung, hauptsächlich aber in der Orthopädie z.B. bei Wirbelsäulenbeschwerden oder nach Gelenkoperationen und in der Neurologie z.B. bei Schlaganfall.

Was ist das Spezifische an PNF?

Behandlungsgrundlage von PNF sind definierte Bewegungsmuster (Pattern), die sich an Alltagsfunktionen orientieren. Sie sind synergistisch, spiralförmig und 3-dimensional und beziehen sich auf Schulter- und Hüftgelenk. Sie können mit nur einem Körperabschnitt, z.B. dem Arm, durchgeführt werden oder aber miteinander kombiniert (unilateral, bilateral, Extremitäten mit Rumpf) oder aber auch weiterlaufen gelassen werden, z.B. auf den Rumpf. Die Behandlung selbst erfolgt in diesen Mustern und mit spezifischen Techniken. Die Techniken fördern die Bewegungsanbahnung und arbeiten spezifisch an Mobilisierung, Stabilität, kontrollierter Mobilität oder Geschicklichkeit.

Unterstützt werden die Techniken auch durch

  • den Einsatz von dosiertem Widerstand, um die Muskulatur in allen Anteilen in ihrer Aktivität zu verstärken, weil mehr motorische Einheiten in der Muskulatur rekrutiert werden.
  • Traktion (Zug)
  • Approximation (Stauchung)
  • Bei spezifischen Indikationen wird manchmal "Stretch", eine starke Vordehnung, eingesetzt und nur bei sehr ausgewählten Patienten auch Kälteanwendungen zur Muskeltonussenkung.

Einen wichtigen Einfluss auf die Therapie haben außerdem

  • die taktile Stimulation, also die Informationen, die der Therapeut über seine Hände an den Patienten weitergibt und damit dessen Reaktionen steuern kann
  • die verbalen und visuellen Informationen die der Patient bekommt
  • die Ausgangstellungen und die Positionen, die Patient und Therapeut zueinander einnehmen, da sie von den deren Größenverhältnissen abhängig sind
  • das richtige "Timing", die zeitlich richtige Bewegungsreihenfolge

Zu Beginn jeder Behandlung erfolgt eine ausführliche Befragung und Untersuchung des Patienten zu den Funktionen, ihren Einschränkungen und Störungen. Vorraussetzung dafür ist die Kenntnis normaler Bewegungsentwicklung. Eine Hypothese wird formuliert und anhand dessen ein Behandlungsplan erstellt, der zielorientiert ist, um motorisches Lernen zu unterstützen. Durch regelmäßige Wiederbefundung während der Behandlungsserie werden Hypothese und Therapieplan überprüft und ggf. angepasst.

Die Gestaltung der Behandlung mit PNF ist zielabhängig und sollte intensiv sein. Sie kann in praktisch allen Therapiesituationen und Ausgangstellungen sehr variabel durchgeführt werden, nicht nur im Liegen und Sitzen, sondern auch in der Fortbewegung beim Gehen oder in anderen Alltagsbewegungsmustern. Repetetives Üben ist ein wichtiger Bestandteil, da es Bewegungsabläufe ökonomisiert und automatisiert und den Transfer in den Alltag erleichtert. Ein konsequentes Heimprogramm erhält den Erfolg und verbessert ihn weiter.

Ist die Wirksamkeit von PNF nachgewiesen?

Die Wirksamkeit der Behandlung von Hemiplegie nach Schlaganfall mit PNF ist bisher nur in Teilen erforscht worden.

Im Vergleich mit anderen klinisch etablierten Therapieansätzen scheint die Behandlung mit PNF keinen Vorteil zu erreichen. Eine komplexe Behandlung von 131 akut betroffenen Schlaganfallpatienten entweder mit konventioneller Therapie, nach dem Bobath-Konzept oder mit PNF ergab nach sechs Wochen keinen Unterschied im Therapieergebnis (Dickstein et al., 1986).

Untersucht wurden auch Einzelaspekte der Therapie mit PNF, so z.B. ob PNF auf das Gangbild oder auf die Muskelkraft wirken kann.

Eine einmalige PNF-Behandlung am Becken konnte bei 20 subakuten Hemiplegiepatienten (Trueblodd et al., 1989) eine kurzfristige Gangbildverbesserung bewirken, z.B. größere Kniestabilität. Wang (1994) führte eine längerfristige Behandlung über 4 Wochen durch. Und auch hier nahm die Ganggeschwindigkeit sowie Schrittkadenz zu. Besonders zu beachten ist, dass akuter betroffene Patienten deutlich schneller Verbesserungen zeigten. Bei Patienten aber, deren Schlaganfall länger als 1 Jahr zurücklag, waren die Fortschritte erst am Ende der Behandlungsserie messbar, sie brauchten also deutlich länger um den gleichen Stand zu erreichen.

Gabriel, Basford & An (1997) verglichen den Effekt der Therapie nach Prinzipien des motorischen Lernens mit der PNF-Behandlung auf die Kraft und Ausdauer der Ellbogenstrecker bei Schlaganfall- und Schädel-Hirn-Trauma-Patienten. Beide Methoden konnten innerhalb weniger Tage die Ellbogenextensorenkraft erhöhen. Kraft, Fitts & Hammond (1992) untersuchten die Wirkung von PNF im Vergleich zu EMG -initiierter Elektrostimulation mit und ohne willkürliche Handbewegung. 22 chronisch betroffene Schlaganfallpatienten bekamen 3 Monate lang 3x wöchentlich 1 Stunde Behandlung. Eine Kontrollgruppe bekam keine Therapie und blieb in ihren Funktionen stabil. Alle anderen Patienten verbesserten die Armfunktionen und Griffstärke und erhielten diese Fortschritte auch bei zwei Folgeuntersuchungen innerhalb eines Jahres. Auch die mit PNF behandelte Gruppe verbesserte sich, aber statistisch signifikant weniger stark.

Weiterbildung zum PNF-Therapeuten

Die Krankengymnastik zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen erworben nach Abschluß der Hirnreife nach PNF (Erwachsene) ist eine von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen anerkannte besondere Maßnahme der Physiotherapie. Nur Therapeuten mit einer erfolgreich abgeschlossenen Weiterbildung von mindestens 110 Unterrichtsstunden durch von den Spitzenverbänden anerkannte IntruktorInnen der IPNFA (International PNF Association) sind berechtigt die PNF-Methode anzuwenden.

Voraussetzung zur Teilnahme an der Weiterbildung mit Zertifikat ist mindestens 1 Jahr Berufserfahrung nach abgeschlossener Berufsausbildung zum Physiotherapeuten.

Ausgewählte Literatur

Buck M, Beckers D, Adler S (1993) PNF in der Praxis. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg.

Dickstein R, Hochermann S, Pillar T, Shaham R (1986) Stroke Rehabilitation Three Exercise Therapy Approaches. Physical Therapy, 66(8): 1233-8.

Gabriel D, Basford J & An K (1997) Head trauma and stroke. Proprioceptive neuromuscular facilitation effects upon maximal isometric strength and endurance. Rehabilitation R&D Progress Reports, 34: 123.

Knott M, Voss D (1968) Proprioceptive neuromuscular facilitation. Harper & Row, New York.

Kraft G, Fitts S & Hammond M (1992) Techniques to Improve Function of the Arm and Hand in Chronic Hemiplegia. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation, 73 (3): 220-7.

Trueblood P, Walker J, Perry J, Gronley J (1989) Pelvic Exercise and Gait in Hemiplegia. Physical Therapy, 69 (1): 32-40.

Wang R (1994) Effect of proprioceptive neuromuscular facilitation on the gait of patients with hemiplegia of long and short duration. Physical Therapy; 74 (12): 1108-15.

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