Therapien nach dem Bobath-Konzept

Was ist das Bobath-Konzept?

Das Bobath-Konzept ist eines der weltweit am häufigsten angewendeten Therapieansätze zur Behandlung von Hemiplegie nach Schlaganfall. Es ist keine Behandlungsmethode oder -technik, sondern sieht sich als problemlösender Ansatz zur Befundung und Behandlung von Personen mit Störungen von Funktion, Bewegung und Muskeltonus, verursacht durch eine Läsion des Zentralen Nervensystems (ZNS).

Der betroffene Mensch soll mit einer minimalen Bewegungsauffälligkeit eine maximale Selbständigkeit erreichen und lernen, mit seinen Einschränkungen umzugehen. Unter Berücksichtigung der individuellen körperlichen, sozialen, emotionalen und beruflichen Situation des betroffenen Menschen beruht der Behandlungsansatz auf der Vermeidung oder Hemmung von abnormalem Haltungstonus und abnormal koordinierten Bewegungsmustern sowie dem Wiedererlernen von normaler Bewegung, welche normalen Haltungstonus, normale reziproke Innervation und normale Gleichgewichtsreaktionen beinhaltet. Der Therapeut unterstützt diesen Prozess durch die Handhabung und Fazilitation von Schlüsselpunkten mit dem Ziel der Optimierung der Funktion über Verbesserung der Haltungskontrolle und selektiven Bewegung.

Besonderes Merkmal des Bobath-Konzeptes ist das 24-Stunden Konzept:
Der Behandlungsansatz beschränkt sich nicht nur auf einer spezielle Therapieform, wie z.B. die Physiotherapie, sondern bezieht alle beteiligten Personen mit ein, d.h. der Betroffene, das multidisziplinäre Team (Pflege, Physiotherapie, Ergpotherapie, Ärzte, Logopädie, Neuropsychologie, Hol- und Bringdienste, etc.) und die Angehörigen, führen die "Therapie" jeden Tag bei jeder Aktivität im Alltag oder während der Rehabilitation interaktiv über die 24 Stunden des Tages fort. Dadurch kommt es zu einem häufigen Üben (Mass Practice) in den unterschiedlichsten Umweltbedingungen (Random Practice) was besonders wichtig ist für das Langzeitlernen und die Übertragung in den selbstständigen Alltag.

Therapie nach dem Bobath-Konzept

Grundvoraussetzung für die Therapie nach dem Bobath-Konzept ist die Bewegungsanalyse, in der das Bewegungsverhalten des Patienten in verschiedenen Situationen und Umweltbedingungen im Vergleich zur Normalen Bewegung analysiert wird, unter besonderer Berücksichtigung der taktil-kinästhetischen, akustischen, optischen und verbalen Reizverarbeitung.

Nach der Bewegungsanalyse (Befunderhebung) und Zielfestlegung zusammen mit dem Patienten wird die individuelle Behandlungsstrategie geplant:

Auswahl der wieder zu erlernenden Bewegungsmuster bzw. Funktionen

  • in Funktionsbewegungen die funktionell, alltagsrelevant und für den Patienten bedeutsam sein sollen, sowie aktiv von ihm mitgestaltet, da sonst kein Lerneffekt und Transfer in den Alltag entsteht
  • zuerst in kleinen und einfachen Bewegungsabschnitten, die später wieder zu komplexen funktionellen Bewegungsmustern zusammengesetzt werden (part learning, progressive part learning)

Auswahl der dafür geeigneten Therapiesituation und Ausgangsstellungen

  • unter Bedingungen, die das Explorieren, Ausprobieren und Entwickeln von Strategien notwendig werden lassen
  • unter wechselnden Umweltbedingungen damit der Patient wieder lernt seine Bewegungs- und Handlungsabläufe permanent anpassen zu können

Auswahl von spezifischen Behandlungstechniken

  • Facilitation: macht die Durchführung einer Funktion möglich und auch leichter, indem z.B. der Bewegungsablauf vom Therapeuten teilweise oder ganz unterstützt oder angeleitet wird. Die Art und Stärke der Fazilitation wird kontinuierlich modifiziert und entsprechend dem Erholungsverlauf abgebaut.
  • wo notwendig, werden bindegewebige Strukturen und Gelenke mit entsprechenden physiotherapeutischen Techniken vorbereitet
  • Modifikation von Stabilität und Mobilität, Bewegungsausmaß, Tempo, Ausdauer, Ökonomie, multiple/komplexe Aufgabenstellung etc.

Die Behandlungsstrategie wird zudem der jeweiligen Tagesform des Patienten und den jeweiligen Umweltbedingungen, in dem die Therapie stattfindet, sowie dem motorischen Erholungsverlauf jedes mal neu angepasst. Das bedeutet, dass Befund und Therapie permanent Hand in Hand gehen, und man deswegen von einer Befundbehandlung spricht.

Ist die Wirksamkeit der Therapie nach dem Bobath-Konzept nachgewiesen?

Die Therapie nach dem Bobath-Konzept ist heutzutage eines der weltweit am häufigsten angewendeten Therapieansätze zur Behandlung von Hemiplegie nach Schlaganfall. Doch trotz der weit verbreiteten klinischen Anerkennung ist die spezifische Wirksamkeit dieser Art von Therapie nur wenig untersucht worden.

Die nachhaltige Effizienz der Schlaganfallrehabilitation bei geriatrischen Patienten, die stationär nach dem 24-Stunden-Modell des Bobath-Konzeptes behandelt worden waren, konnte in der PASS-Studie belegt werden, in der 302 Patienten langfristig über einen Zeitraum von insgesamt 2 Jahren nach ihrer Entlassung aus der stationären Rehabilitation beobachtet wurden.

Im Vergleich mit anderen klinisch bewährten Therapieansätzen aber scheint die Behandlung der Hemiplegie nach Schlaganfall nach dem Bobath-Konzept nicht überlegen effektiv zu sein. Verschiedene Studien haben dies untersucht und konnten keinen Unterschied in der Wirksamkeit des Bobath-Konzeptes im Vergleich mit anderen gängigen Therapieansätzen nachweisen.

Neuere Therapiesätze hingegen scheinen spezifischer zu wirken. Zum Beispiel wurden akut betroffene Patienten in zwei unterschiedlichen Studien entweder nach dem Bobath-Konzept oder nach dem 'Motor Relearning Programme' behandelt. Beide Gruppen erreichten zwar den fast gleichen funktionellen Status, aber in der einen Studie brauchten die Patienten, die nach dem Bobath-Konzept behandelt wurden, dafür mehr Zeit und blieben etwas länger im Krankenhaus. Mehrere Monate bzw. Jahre später verwischte sich allerdings der Unterschied zwischen den Gruppen. Patienten die nach dem Bobath-Konzept behandelt wurden, erreichten weniger motorische Funktionen im Arm als jene, die mit der 'Constrained Induced Movement Therapie' (chronisch betroffene Patienten) oder mit dem 'systematischen repetetiven Arm-Basis-Training' (akut betroffene Patienten) behandelt wurden. Wird die Therapie nach dem Bobath-Konzept mit einem neueren Therapieansatz kombiniert, in dem spezifische Funktionen trainiert werden wie z.B. aeroben Laufbandtraining, dann ist der Therapieeffekt größer und Patienten mit der Kombinationstherapie konnten hinterher weiter und schneller gehen als nur nach der Bobaththerapie.

Historische Entwicklung des Bobath-Konzeptes

Die Entwicklung des Bobath-Konzeptes begann in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts durch Beobachtung und klinischer Erfahrung der Physiotherapeutin Berta Bobath und ihrem Mann, dem Arzt Dr. Karel Bobath. Primär wurde es zunächst für die Behandlung von Kindern mit angeborenen Zerebralparesen eingesetzt, später dann auch bei erwachsenen Hemiplegikern nach Schlaganfall. Es war das erste Behandlungskonzept überhaupt das Veränderbarkeit, vor allem Spastizität, durch Therapie bei Personen mit Schädigungen des Zentralen Nervensystems (ZNS) feststellte.

Die Behandlung nach dem Bobath-Konzept war zunächst relativ passiv ausgerichtet mit so genannten 'Reflexhemmenden Ausgangsstellungen' (RIP), mechanisch und mit Konzentration auf die betroffene Körperhälfte. Es hat sich aber im Laufe der Jahre ständig verändert und weiterentwickelt, bedingt durch Erfahrungen in der praktischen Arbeit, Einfluss von anderen Therapieformen und nicht zuletzt durch Veränderungen der klinischen Krankheitsbilder und dem neurowissenschaftlichen Erkenntnisstand. Es ist heute nach wie vor individuell, aber vor allem funktionell, aktiv und dynamisch auf den Patienten ausgerichtet.

Weiterbildung zum Bobath-Therapeuten

Die Krankengymnastik zur Behandlung von zentralen Bewegungsstörungen erworben nach Abschluß der Hirnreife nach Bobath (Erwachsene) ist eine von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen anerkannte besondere Maßnahme der Physiotherapie. Die Weiterbildung zum Bobath-Therapeuten mit Zertifikat wird von durch die Spitzenverbände anerkannten FachlehrerInnen / InstruktorInnen der "International Bobath Instructor Training Association" (IBITA) durchgeführt. Sie umfaßt mindestens 110 Unterrichtsstunden und eine erfolgreich abzuschließende Lehr-Lernzielkontrolle.

Voraussetzung zur Teilnahme an der Weiterbildung ist mindestens 1 Jahr Berufserfahrung nach abgeschlossener Berufsausbildung zum Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden oder Arzt.

Darüber hinaus werden spezielle Kurse angeboten für Pflegekräfte für "Therapeutisch-aktivierende Pflege Erwachsener nach erworbener Hirnschädigung - Bobath-Konzept" sowie für Ärzte.

Ausgewählte Literatur

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