Forced Use / Constrained Induced Movement / Taub'sches Training

Forced Use

Was ist "gelernter Nicht-Gebrauch" bei Schlaganfall-Patienten?

Wenn ein Schlaganfall aufgetreten ist, kommt es oftmals zu schweren Lähmungen einer Körperseite. Zum Teil ist selbständiges Laufen dann nicht mehr möglich, oftmals kann der betroffene Arm im Alltag, d.h. beim Waschen, Anziehen, Essen und sonstigen Aktivitäten nicht mehr in der gewohnten Weise benutzt werden.

Wenn die Lähmung zunächst so stark ist, dass der Arm im Alltag nicht mehr eingesetzt werden kann, dann ist die natürliche Konsequenz, dass man alles mit dem anderen, gesunden Arm ausführt. Dabei findet ein Lernprozess statt: Wir lernen, die Verrichtungen des täglichen Lebens mit dem gesunden Arm auszuführen und den betroffenen Arm, da er zu stark gelähmt ist, gar nicht mehr einzusetzen.

Dies ist wie gesagt in der frühen Phase nach dem Schlaganfall mit schweren Armlähmungen oftmals eine Notwendigkeit, um überhaupt im Alltag zurechtzukommen. Nach einer gewissen Zeit und nach entsprechender therapeutischer Anleitung hat der Patient dann gelernt, mit seinem nicht betroffenen Arm weitgehend alleine zurechtzukommen. Nun gibt es aber auch oftmals erfreuliche Verbesserungen bezüglich der Lähmung eines Armes. Im Laufe der Zeit erlangen zumindest ein Teil der Patienten mit schwereren Lähmungen wieder relativ gute Armfunktionen. In einem späteren Stadium nach dem Schlaganfall können also Funktionen wiedergekehrt sein. Patienten können aber wie oben aufgeführt, anfänglich gelernt haben, den Arm im Alltag nicht mehr einzusetzen. Bei manchen Patienten gibt es dann im späteren Stadium nach einem Schlaganfall folgendes Phänomen:

Der betroffene Arm hat sich zumindest teilweise wieder erholt, wird aber im Alltag nicht in dem Maße eingesetzt, wie es eigentlich möglich wäre, da der Patient früher gelernt hat, dass der Arm im Alltag nicht eingesetzt werden kann. Das nennt man einen so genannten erlernten Nicht-Gebrauch.
Der betroffene Arm wird dann im Alltag wenig eingesetzt, obwohl es eigentlich möglich wäre. Dieser Situation liegt also ein Lernvorgang zugrunde, nicht im eigentlichen Sinne eine körperliche Schädigung. Professor Taub, ein Psychologe aus den Vereinigten Staaten, hat für diese Patientengruppe mit gelerntem Nicht-Gebrauch ein spezielles Therapieverfahren entwickelt (Taub et al., 1993). Diese Therapie wurde von ihm zunächst "Forsed use"-Therapie, also Therapie des forcierten Gebrauchs genannt, in jüngerer Zeit wird sie von ihm und von mit ihm gemeinsam arbeitenden Forschergruppen "constraint induced movement therapy", also durch Restriktion induzierte Bewegungstherapie genannt.

Was liegt dieser Therapie zugrunde?

Patienten, die nach einem Schlaganfall im chronischen Stadium (mehr als ein Jahr nach dem Schlaganfall) einen so genannten gelernten Nicht-Gebrauch aufweisen, sollen durch forcierte Benutzung des betroffenen, zumindest teilweise wieder funktionsfähigen Armes lernen, diesen im Alltag wieder mehr einzusetzen. D.h., der oben skizzierte Lernvorgang in der frühen Phase nach dem Schlaganfall soll wieder rückgängig gemacht werden.

Ziel ist, dass der Arm, der vormals stark gelähmt, sich aber wieder erholte, entsprechend seiner Möglichkeiten im Alltag tatsächlich wieder benutzt wird.
 
Bei der Therapie wird dann dafür gesorgt, dass der Patient den betroffenen Arm möglichst viel benutzt. Die Trainingsphase dauert 14 Tage. Während dieser Zeit trägt der Patient den gesunden, nicht gelähmten Arm während des größten Teils des Tages in einer Schlinge. Dadurch kann der nicht betroffene Arm nicht benutzt werden. Der Patient muss dann den betroffenen, aber in seiner Funktion ja schon gebesserten Arm für alle Tätigkeiten des Alltags benutzen. Dazu kommt eine intensive Beübung des Armes für sechs bis sieben Stunden unter therapeutischer Anleitung. Es werden alltagsbezogen fein- und grobmotorische Bewegungen durchgeführt.

Beim mehrstündigen täglichen Training sowie für den überwiegenden Teil des Tages während der zweiwöchigen Therapie wird die nicht gelähmte Hand immobilisiert (hier mit einer Schiene), damit möglichst alle alltäglichen Verrichtungen mit dem betroffenen Arm ausgeführt werden.

Das Training ist also sehr anstrengend und daher am ehesten Patienten zu empfehlen, die therapeutisch belastbar sind und eine sehr hohe Therapiemotivation haben. Die Therapie ist nach derzeitigem Kenntnisstand nur zu empfehlen, wenn der betroffene Arm und die betroffene Hand Mindestkriterien der Bewegungsfähigkeit erfüllen. Bei Rollstuhlpflichtigkeit, ausgeprägter Sprachstörung (Aphasie) oder ausgeprägten Hirnleistungsminderungen (z.B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis) ist die Therapie eher nicht zu empfehlen.

Für Kinder wurde von einer amerikanischen Arbeitsgruppe eine "kinderfreundliche" Version entwickelt (Gordon et al., 2005).

Ist die Bewegungsinduktionstherapie wirksam?

Inzwischen konnte in mehreren klinischen Studien die Wirksamkeit dieser Therapie nachgewiesen werden (Taub et al., 1993; Kunkel et al., 1999; Miltner et al., 1999).

Die Therapie ist wirksam bei Patienten, die mehr als ein Jahr nach ihrem Schlaganfall zwar schon wieder relativ gute Armfunktionen haben, diese im Alltag aber nicht entsprechend einsetzen.

Nach der 14tägigen Therapie kommt es dann tatsächlich zu einem vermehrten Einsatz des Armes im Alltag, das veränderte Verhalten der Patienten wird auch längerfristig beibehalten. Die Therapie ist also wirksam und nützlich, wenn es darum geht, dass der Patient im Alltag die Armfunktionen, die ihm zur Verfügung stehen, auch tatsächlich benutzt. Untersucht wurde die Therapie zunächst an einer kleinen Patientengruppe (9 Patienten) in den Vereinigten Staaten, kürzlich an einer Patientengruppe mit 5 Patienten von einer Berliner Arbeitsgruppe sowie einer Gruppe von 15 Patienten von einer Arbeitsgruppe in Jena. Überall wurden deutliche Effekte der Therapie nachgewiesen.

In einer anderen Studie, die in den Niederlanden durchgeführt wurde, bei der 66 Patienten untersucht wurden, wurde die Wirkung der "Forced use"-Therapie mit der einer anderen Therapie (nach dem Bobath-Konzept) direkt verglichen (van der Lee et al., 1999). In dieser Studie ergab sich nur für einen Teil der erhobenen Funktionstests eine Überlegenheit der "Forced use"-Therapie. Am stärksten waren die Effekte bei Untergruppen von Patienten mit Sensibilitätsstörungen des betroffenen Armes oder einem Hemineglekt.
Auch eine teilstationär-ambulante "Forced use"-Therapie ist wirksam (Dettmers et al., 2005). Hierbei wird die gesamte Therapiezeit von 60 Stunden auf 3 Stunden pro Tag über 20 Therapietage (4 Wochen) verteilt.
In einer Studie, die in St. Louis, U.S.A., durchgeführt wurde, wurde die Durchführbarkeit und Wirksamkeit des Trainings bei Patienten im akuten Stadium (4 - 14 Tage) nach ihrem Schlaganfall untersucht (Dromerick und Mitarbeiter, 2000). Die Patienten hatten eine leicht- bis mittelgradige Armlähmung. Das Training wurde etwas weniger intensiv durchgeführt als in den genannten Studien. Das Training war sicher, wurde gut akzeptiert und führte unmittelbar nach dem Training zu stärkeren Armfunktionsverbesserungen als traditionelle Ergotherapie.

Ausgewählte Literatur

Dettmers C, Teske U, Hamzei F, Uswatte G, Taub E, Weiller C. Distributed form of constrained-induced movement therapy improves functional outcome and quality of life after stroke. Arch Phys Med Rehabil 86:204-209, 2005.

Dromerick AW, Edwards DF, Hahn M. Does application of constraint-induced movement therapy during acute rehabilitation reduce arm impairment after ischemic stroke ? Stroke 31:2984-2988, 2000.

Gordon AM, Charles J, Wolf SL. Methods of constraint-induced movement therapy for children with hemiplegic cerebral palsy: development of a child-friendly intervention for improving upper-extremity function. Arch Phys Med Rehabil 86:837-844, 2005.

Kunkel A, Kopp B, Müller G, Villringer K, Villringer A, Taub E, Flor H. Constrained-induced movement therapy for motor recovery in chronic stroke patients. Arch Phys Med Rehabil 80:624-628, 1999.

Miltner WHR, Bauder H, Sommer M, Dettmers C, and Taub E. Effects of constraint-induced movement therapy on patients with chronic motor deficits after stroke. A replication. Stroke 30:586-92, 1999.

Taub E, Miller NE, Novack TA, Cook EW, Fleming WC, Nepomuceno CS, Connell JS, and Crago JE. Technique to improve chronic motor deficit after stroke. Arch Phys Med Rehabil 74:347-354, 1993.

Van der Lee JH, Wagenaar RC, Lankhorst GJ, Vogelaar TW, Devillé WL, Bouter LM. Forced use of the upper extremity in chronic stroke patients. Results from a single-blind randomized clinical trial. Stroke 30:2369-75, 1999.

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