Projekt: „COSBID - Cooperative Study on Brain Injury Depolarisations“

Hintergrund

Im gesunden Gehirn befinden sich elektrische und Stoffwechselprozesse im Gleichgewicht. Kommt es zu einer regionalen Verletzung des Gehirns - etwa in Folge eines Schlaganfalls oder eines Schädelhirntraumas -, wird dieses Gleichgewicht in der betroffenen Region gestört. Es werden Substanzen freigesetzt, die "Kurzschlüsse" im betroffenen Gehirngebiet auslösen. Da Nerven- und Gliazellen in zahlreichen Schaltkreisen miteinander verknüpft sind, kann es zur wellenförmigen Ausbreitung dieses zunächst regional begrenzten Chaos in Form einer Depolarisationswelle kommen, die sich in Nachbargebiete der verletzten Hirnregionen ausbreiten kann. Diese so genannte Peri-Infarkt-Depolarisation (PID) ähnelt der vor mehr als 60 Jahren vom Brasilianer Leão beschriebenen "Kortikalen Spreading Depression" (CSD), einer Depolarisation, die experimentell auch im gesunden Gewebe durch verschiedene Stimuli ausgelöst werden kann und sich mit einer Geschwindigkeit von 1 - 5 mm/min ausbreitet (Abb. 1). Die CSD ist normalerweise reversibel. Allerdings wird für die Repolarisation sehr viel Energie benötigt, die oftmals gerade in den Randzonen von verletztem Gewebe nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist. Die mögliche Folge ist, dass dieses Gewebe in ein Energiedefizit rutscht und bei wiederholtem Auftreten der CSD oder PID unterzugehen droht. Eine wirksame Unterdrückung der Depolarisationswellen könnte deswegen vermutlich einer regionalen Ausbreitung von Hirnschädigungen entgegenwirken - und damit das Risiko von Langzeitbehinderungen oder sogar tödlichen Verläufen mindern.

Es gibt bisher nur zwei Arbeiten an Hirntraumapatienten, in denen erfolgreich gezeigt wurde, dass CSD/PID beim Menschen auftritt. Speziell in der Arbeit von Strong AJ et al. (Stroke 2002; 33: 2738-43) wurden bei 8 von 14 Patienten transiente Phasen einer Abflachung des Elektrokortikogramms (ECoGs) beobachtet, die CSD/PID entsprechen. Es gibt derzeit keine sicheren Daten zur Bedeutung von CSD/PID bei Patienten und keine Methoden diese rechtzeitig zu erkennen, um ggf. geeignete Therapien einzuleiten.

CSD - Cortical Spreading Depression

Abb. 1: CSD - Cortical Spreading Depression

Ziele

COSBID (COOPERATIVE STUDY ON BRAIN INJURY DEPOLARISATIONS) vereinigt Gruppen von klinischen und experimentell arbeitenden Forschern, die sich zum Ziel gesetzt haben, Vorkommen und Auswirkungen von CSD/PID bei Patienten mit schwerer traumatischer Schädel-Hirn-Verletzung, Subarachnoidalblutung, raumfordernder intrazerebraler Blutung oder raumforderndem ischämischem Mediainfarkt zu untersuchen. Neben international renommierten Gruppen z.B. vom Kings College, London, von der Universität Kopenhagen oder von der Universität Cambridge sind aus Deutschland Gruppen an der Charité in Berlin, an der Universität in Heidelberg und Mannheim und am MPI für neurologische Forschung sowie der Universität in Köln beteiligt, die alle im Kompetenznetz Schlaganfall mitarbeiten.

Vorgehensweise

COSBID untersucht Patienten, bei denen im Rahmen einer unabhängig von der Studie indizierten operativen Therapie eine Öffnung der Schädeldecke durchgeführt wird, mittels Elektrokortikografie (ECoG) und invasivem Neuromonitoring. Das ECoG wird mit einer Streifenelektrode direkt von der Hirnrinde über einen Zeitraum von bis zu zehn Tagen aufgezeichnet. Die elektrophysiologischen Messungen werden zentral ausgewertet. Die Entwicklung der Hirnschädigung sowie des funktionellen Defizits werden begleitend mit bildgebenden Methoden (CCT, MRT) bzw. neurologischen Testverfahren untersucht.

Erste Ergebnisse

Die ersten Einschlüsse von Patienten in die Studie haben bereits ergeben, dass CSD/PID beim Menschen nicht auf Hirntraumapatienten beschränkt ist. Mehrere Zentren konnten unabhängig voneinander zeigen, dass CSD in etwa 50 % der Patienten mit Subarachnoidalblutung auftritt. Es gibt darüber hinaus erste Hinweise, dass die Depolarisationen bei diesen Patienten möglicherweise mit dem Auftreten von Vasospasmen in Verbindung gebracht werden können.

Weitere Informationen

http://www.cosbid.org/  (englischsprachig)

Projektleiter

Dr. Jens Dreier
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Campus Mitte
Charitéplatz 1
10117 Berlin
Tel.: +49-30/450560-024
Fax.: +49-30/450560-932
E-Mail

Prof. Dr. Rudolf Graf
Max-Planck-Institut für neurologische Forschung
Gleuelerstr. 50
50931 Köln
Tel.: +49-221 / 4726-228
Fax: +49-221 / 4726-298 
E-Mail

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